§ 112.
(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden,
wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf
nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu
erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer
Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
1. festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich
verborgen hält,
2. bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß
der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr),
oder
3. das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er
werde
a) Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen,
unterdrücken oder fälschen oder
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer
Weise einwirken oder
c) andere zu solchem Verhalten veranlassen, und wenn deshalb die
Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde
(Verdunkelungsgefahr).
(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 129a Abs. 1 oder nach
den §§ 211, 212 oder 220a Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches oder, soweit
durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 311
Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die
Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2
nicht besteht.
§ 112a.
(1) Ein Haftgrund besteht auch, wenn der beschuldigte dringend verdächtig
ist,
1. eine Straftat nach den §§ 174, 174a, 176 bis 179 des
Strafgesetzbuches oder
2. wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend
beeinträchtigende Straftat nach § 125a, nach den §§ 223a bis 226, nach
den §§ 243, 244, 249 bis 255, 260, nach § 263, nach den §§ 306 bis 308
oder § 316a des Strafgesetzbuches oder
nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, 4, 10 oder Abs. 3 oder nach § 30 Abs. 1 des
Betäubungsmittelgesetzes begangen zu haben, und bestimmte Tatsachen die
Gefahr begründen, daß er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche
Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen werde, die Haft
zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich und in den Fällen der Nummer
2 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. In den
Fällen der Nummer 2 setzt die Annahme einer solchen Gefahr in der Regel
voraus, daß der Beschuldigte innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer
Straftat gleicher Art rechtskräftig zu Freiheitsstrafe verurteilt worden
ist.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Erlaß
eines Haftbefehls nach § 112 vorliegen und die Voraussetzungen für die
Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 nicht gegeben
sind.
§ 113.
(1) Ist die Tat nur mit , Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit
Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bedroht, so darf die
Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr nicht angeordnet werden.
(2) In diesen Fällen darf die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur
angeordnet werden, wenn der Beschuldigte
1. sich dem Verfahren bereits einmal entzogen hatte oder Anstalten zur
Flucht getroffen hat,
2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder
Aufenthalt hat oder
3. sich über seine Person nicht ausweisen kann.
§ 114.
(1) Die Untersuchungshaft wird durch schriftlichen Haftbefehl des Richters
angeordnet.
(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen
1. der Beschuldigte,
2. die Tat, deren er dringend verdächtig ist, Zeit und Ort ihrer
Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden
Strafvorschriften,
3. der Haftgrund sowie
4. die Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der
Haftgrund ergibt, soweit nicht dadurch die Staatssicherheit gefährdet
wird.
(3) Wenn die Anwendung des § 112 Abs. 1 Satz 2 naheliegt oder der
Beschuldigte sich auf diese Vorschrift beruft, sind die Gründe dafür
anzugeben, daß sie nicht angewandt wurde.
§ 114a.
(1) Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung bekanntzugeben.
Ist dies nicht möglich, so ist ihm vorläufig mitzuteilen, welcher Tat er
verdächtig ist. Die Bekanntgabe des Haftbefehls ist in diesem Fall
unverzüglich nachzuholen.
(2) Der Beschuldigte erhält eine Abschrift des Haftbefehls.
§ 114b.
(1) Von der Verhaftung und jeder weiteren Entscheidung über die Fortdauer
der Haft wird ein Angehöriger des Verhafteten oder eine Person seines
Vertrauens unverzüglich benachrichtigt. Für die Anordnung ist der Richter
zuständig.
(2) Außerdem ist dem Verhafteten selbst Gelegenheit zu geben, einen
Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens von der Verhaftung zu
benachrichtigen, sofern der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet
wird.
§ 115.
(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er
unverzüglich dem zuständigen Richter vorzuführen.
(2) Der Richter hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung,
spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu
vernehmen.
(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände
und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur
Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und
Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen
Gunsten sprechen.
(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht
der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, §118 Abs.
1,2) zu belehren.
§ 115a.
(1) Kann der Beschuldigte nicht spätestens am Tage nach der Ergreifung vor
den zuständigen Richter gestellt werden, so ist er unverzüglich, spätestens
am Tage nach der Ergreifung, dem Richter des nächsten Amtsgerichts
vorzuführen.
(2) Der Richter hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung,
spätestens am nächsten Tage, zu vernehmen. Bei der Vernehmung wird, soweit
möglich, § 115 Abs. 3 angewandt. Ergibt sich bei der Vernehmung, daß der
Haftbefehl aufgehoben oder der Ergriffene nicht die in dem Haftbefehl
bezeichnete Person ist, so ist der Ergriffene freizulassen. Erhebt dieser
sonst gegen den Haftbefehl oder dessen Vollzug Einwendungen, die nicht
offensichtlich unbegründet sind, oder hat der Richter Bedenken gegen die
Aufrechterhaltung der Haft, so teilt er sie dem zuständigen Richter
unverzüglich und auf dem nach den Umständen angezeigten schnellsten Wege
mit.
(3) Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist er auf sein Verlangen
dem zuständigen Richter zur Vernehmung nach § 115 vorzuführen. Der
Beschuldigte ist auf dieses Recht hinzuweisen und gemäß § 115 Abs. 4 zu
belehren.
§ 116.
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen
Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen
die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft
auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
1. die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der
Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu
melden,
2. die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten
Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der
Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3. die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person
zu verlassen,
4. die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten
oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen
Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger
einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die
Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt
namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen
keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen
worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der
Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der
Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des
Haftbefehls an, wenn
1. der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen
gröblich zuwiderhandelt,
2. der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße
Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere
Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war,
oder
3. neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
§ 116a.
(1) Die Sicherheit ist durch Hinterlegung in barem Geld, in Wertpapieren,
durch Pfandbestellung oder durch Bürgschaft geeigneter Personen zu leisten.
(2) Der Richter setzt Höhe und Art der Sicherheit nach freiem Ermessen fest.
(3) Der Beschuldigte, der die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen
Sicherheitsleistung beantragt und nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes
wohnt, ist verpflichtet, eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende
Person zum Empfang von Zustellungen zu bevollmächtigen.
§ 117.
(1) Solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, kann er jederzeit die
gerichtliche Prüfung beantragen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen
Vollzug nach § 116 auszusetzen ist (Haftprüfung).
(2) Neben dem Antrag auf Haftprüfung ist die Beschwerde unzulässig. Das
Recht der Beschwerde gegen die Entscheidung, die auf den Antrag ergeht, wird
dadurch nicht berührt.
(3) Der Richter kann einzelne Ermittlungen anordnen, die für die künftige
Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft von Bedeutung
sind, und nach Durchführung dieser Ermittlungen eine neue Prüfung vornehmen.
(4) Hat der Beschuldigte noch keinen Verteidiger, so wird ihm ein
Verteidiger für die Dauer der Untersuchungshaft bestellt, wenn deren Vollzug
mindestens drei Monate gedauert hat und die Staatsanwaltschaft oder der
Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter es beantragt. Über das
Antragsrecht ist der Beschuldigte zu belehren. Die §§ 142, 143 und 145
gelten entsprechend.
(5) Hat die Untersuchungshaft drei Monate gedauert, ohne daß der
Beschuldigte die Haftprüfung beantragt oder Haftbeschwerde eingelegt hat, so
findet die Haftprüfung von Amts wegen statt, es sei denn, daß der
Beschuldigte einen Verteidiger hat.
§ 118.
(1) Bei der Haftprüfung wird auf Antrag des Beschuldigten oder nach dem
Ermessen des Gerichts von Amts wegen nach mündlicher Verhandlung
entschieden.
(2) Ist gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt, so kann auch im
Beschwerdeverfahren auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen nach
mündlicher Verhandlung entschieden werden.
(3) Ist die Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung aufrechterhalten
worden, so hat der Beschuldigte einen Anspruch auf eine weitere mündliche
Verhandlung nur, wenn die Untersuchungshaft mindestens drei Monate und seit
der letzten mündlichen Verhandlung mindestens zwei Monate gedauert hat.
(4) Ein Anspruch auf mündliche Verhandlung besteht nicht, solange die
Hauptverhandlung andauert oder wenn ein Urteil ergangen ist, das auf eine
Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und
Sicherung erkennt.
(5) Die mündliche Verhandlung ist unverzüglich durchzuführen; sie darf ohne
Zustimmung des Beschuldigten nicht über zwei Wochen nach dem Eingang des
Antrags anberaumt werden.
§ 118a.
(1) Von Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung sind die Staatsanwaltschaft
sowie der Beschuldigte und der Verteidiger zu benachrichtigen.
(2) Der Beschuldigte ist zu der Verhandlung vorzuführen, es sei denn, daß er
auf die Anwesenheit in der Verhandlung verzichtet hat oder daß der
Vorführung weite Entfernung oder Krankheit des Beschuldigten oder andere
nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. Wird der Beschuldigte zur
mündlichen Verhandlung nicht vorgeführt, so muß ein Verteidiger seine Rechte
in der Verhandlung wahrnehmen. In diesem Falle ist ihm für die mündliche
Verhandlung ein Verteidiger zu bestellen, wenn er noch keinen Verteidiger
hat. Die §§ 142, 143 und 145 gelten entsprechend.
(3) In der mündlichen Verhandlung sind die anwesenden Beteiligten zu hören.
Art und Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht. Über die Verhandlung
ist eine Niederschrift aufzunehmen; die §§ 271 bis 273 gelten entsprechend.
(4) Die Entscheidung ist am Schluß der mündlichen Verhandlung zu verkünden.
Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer
Woche zu erlassen.
§ 118b.
Für den Antrag auf Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) und den Antrag auf mündliche
Verhandlung gelten die §§ 297 bis 300 und 302 Abs. 2 entsprechend.
§ 119.
(1) Der Verhaftete darf nicht mit anderen Gefangenen in demselben Raum
untergebracht werden. Er ist auch sonst von Strafgefangenen, soweit möglich,
getrennt zu halten.
(2) Mit anderen Untersuchungsgefangenen darf er in demselben Raum
untergebracht werden, wenn er es ausdrücklich schriftlich beantragt. Der
Antrag kann jederzeit in gleicher Weise zurückgenommen werden. Der
Verhaftete darf auch dann mit anderen Gefangenen in demselben Raum
untergebracht werden, wenn sein körperlicher oder geistiger Zustand es
erfordert.
(3) Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die
der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt
erfordert.
(4) Bequemlichkeiten und Beschäftigungen darf er sich auf seine Kosten
verschaffen, soweit sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und nicht die
Ordnung in der Vollzugsanstalt stören.
(5) Der Verhaftete darf gefesselt werden, wenn
1. die Gefahr besteht, daß er Gewalt gegen Personen oder Sachen
anwendet, oder wenn er Widerstand leistet,
2. er zu fliehen versucht oder wenn bei Würdigung der Umstände des
Einzelfalles, namentlich der Verhältnisse des Beschuldigten und der
Umstände, die einer Flucht entgegenstehen, die Gefahr besteht, daß er
sich aus dem Gewahrsam befreien wird,
3. die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstbeschädigung besteht und
wenn die Gefahr durch keine andere, weniger einschneidende Maßnahme
abgewendet werden kann. Bei der Hauptverhandlung soll er ungefesselt
sein.
(6) Die nach diesen Vorschriften erforderlichen Maßnahmen ordnet der Richter
an. In dringenden Fällen kann der Staatsanwalt, der Anstaltsleiter oder ein
anderer Beamter, unter dessen Aufsicht der Verhaftete steht, vorläufige
Maßnahmen treffen. Sie bedürfen der Genehmigung des Richters.
§ 120.
(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der
Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere
Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe
oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er
ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die
Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß
vorläufig eingestellt wird.
(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des
Beschuldigten nicht aufgehalten werden.
(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor
Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann
die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.
§ 121.
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine
freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der
Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus
nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der
besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das
Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs
Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116
ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der
Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2
bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen
Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen
ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die
Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der
Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf
ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des
Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des
Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in
denen ein Oberlandesgericht nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes
zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.
§ 122.
(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch
Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung
vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder
die Staatsanwaltschaft es beantragt.
(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören.
Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach
mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a
entsprechend.
(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so
gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117
Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf
Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und
Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den
allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils
höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1
entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche
Verhandlung nach seinem Ermessen.
(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren
Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils
spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.
(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116
aussetzen.
(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so
kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch
solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den
vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.
(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an
die Stelle des Oberlandesgerichts. § 122a. In den Fällen des § 121 Abs. 1
darf der Vollzug der Haft nicht länger als ein Jahr aufrechterhalten werden,
wenn sie auf den Haftgrund des § 112a gestützt ist.
§ 123.
(1) Eine Maßnahme, die der Aussetzung des Haftvollzugs dient (§ 116), ist
aufzuheben, wenn
1. der Haftbefehl aufgehoben wird oder
2. die Untersuchungshaft oder die erkannte Freiheitsstrafe oder
freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen
wird.
(2) Unter denselben Voraussetzungen wird eine noch nicht verfallene
Sicherheit frei.
(3) Wer für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, kann deren Freigabe
dadurch erlangen, daß er entweder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden
Frist die Gestellung des Beschuldigten bewirkt oder die Tatsachen, die den
Verdacht einer vorn Beschuldigten beabsichtigten Flucht begründen, so
rechtzeitig mitteilt, daß der Beschuldigte verhaftet werden kann.
§ 124.
(1) Eine noch nicht frei gewordene Sicherheit verfällt der Staatskasse, wenn
der Beschuldigte sich der Untersuchung oder dem Antritt der erkannten
Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und
Sicherung entzieht.
(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte sowie derjenige, welcher für
den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, zu einer Erklärung aufzufordern.
Gegen die Entscheidung steht ihnen nur die sofortige Beschwerde zu. Vor der
Entscheidung über die Beschwerde ist ihnen und der Staatsanwaltschaft
Gelegenheit zur mündlichen Begründung ihrer Anträge sowie zur Erörterung
über durchgeführte Ermittlungen zu geben.
(3) Die den Verfall aussprechende Entscheidung hat gegen denjenigen, welcher
für den Beschuldigten Sicherheit geleistet hat, die Wirkungen eines von dem
Zivilrichter erlassenen, für vorläufig vollstreckbar erklärten Endurteils
und nach Ablauf der Beschwerdefrist die Wirkungen eines rechtskräftigen
Zivilendurteils.
§ 125.
(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage erläßt der Richter bei dem
Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der
Beschuldigte sich aufhält, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein
Staatsanwalt nicht erreichbar und Gefahr im Verzug ist, von Amts wegen den
Haftbefehl.
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage erläßt den Haftbefehl das Gericht,
das mit der Sache befaßt ist, und, wenn Revision eingelegt ist, das Gericht,
dessen Urteil angefochten ist. In dringenden Fällen kann auch der
Vorsitzende den Haftbefehl erlassen.
§ 126.
(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren richterlichen
Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft oder auf
die Aussetzung des Haftvollzugs (§ 116) beziehen, der Richter zuständig, der
den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl
erlassen, so ist der Richter zuständig, der die vorangegangene Entscheidung
erlassen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt
oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann der
Richter, sofern die Staatsanwaltschaft es beantragt, die Zuständigkeit dem
Richter bei dem Amtsgericht dieses Ortes übertragen. Ist der Ort in mehrere
Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch
Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese
Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit
der Sache befaßt ist. Nach Einlegung der Revision ist das Gericht zuständig,
dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119,
ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl
aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft
zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts
herbeizuführen.
(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das
angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres
ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.
(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.
§ 126a.
(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine
rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten
Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer
Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch
Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser
Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.
(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 117 bis
119, 125 und 126 entsprechend. Hat der Unterzubringende einen gesetzlichen
Vertreter, so ist der Beschluß auch diesem bekanntzugeben.
(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der
einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im
Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer
Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels
darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt
entsprechend.
§ 127.
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er
der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt
werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung
vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch
die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich
nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei
Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die
Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls
vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige
Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies
gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf
Strafverlangen verfolgbar ist.
§ 127a.
(1) Hat der Beschuldigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen
Wohnsitz oder Aufenthalt und liegen die Voraussetzungen eines Haftbefehls
nur wegen Fluchtgefahr vor, so kann davon abgesehen werden, seine Festnahme
anzuordnen oder aufrechtzuerhalten, wenn
1. nicht damit zu rechnen ist, daß wegen der Tat eine Freiheitsstrafe
verhängt oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und
Sicherung angeordnet wird und
2. der Beschuldigte eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende
Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet.
(2) § 116a Abs. 1 und 3 gilt entsprechend.
§ 128.
(1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird,
unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem
Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der
Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.
(2) Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe
für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er auf
Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar
ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. § 115
Abs. 4 gilt entsprechend.
§ 129.
Ist gegen den Festgenommenen bereits die öffentliche Klage erhoben, so ist
er entweder sofort oder auf Verfügung des Richters, dem er zunächst
vorgeführt worden ist, dem zuständigen Gericht vorzuführen; dieses hat
spätestens am Tage nach der Festnahme über Freilassung, Verhaftung oder
einstweilige Unterbringung des Festgenommenen zu entscheiden.
§ 130.
Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein
Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist der
Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlaß des
Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, daß der
Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom
Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll,
gestellt wird. Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist
der Haftbefehl aufzuheben. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur
mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. § 120 Abs. 3 ist
anzuwenden.
§ 131.
(1) Auf Grund eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls können die
Staatsanwaltschaft oder der Richter einen Steckbrief erlassen, wenn der
Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
(2) Ohne Haft- oder Unterbringungsbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung
nur zulässig, wenn ein Festgenommener entweicht oder sich sonst der
Bewachung entzieht. In diesen Fällen kann auch die Polizeibehörde einen
Steckbrief erlassen.
(3) In dem Steckbrief ist der Verfolgte zu bezeichnen und soweit möglich zu
beschreiben. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer
Begehung sind anzugeben.
(4) Die §§ 115 und 115a gelten entsprechend.
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